Eine (selbst)kritische Betrachtung
Der Fischotter ist nicht der Wolf – das ist keine Molekularphysik. Und dennoch führt die Rückkehr des Fischotters in unsere Naturräume zu Konflikten und zu teilweise ähnlichen Diskussionen, wie sie um andere bedrohte Tierarten zu beobachten sind.
Für Teichwirte gehen mit der Wiederansiedelung des Fischotters Gefahren einher; sie sehen ihre Existenzgrundlage bedroht. Kostspielige Schutzmaßnahmen können sich vor allem die vielen kleinen Betriebe nicht leisten; in Bayern aber werden 98% aller Fischwirtschaftsbetriebe privat oder im Nebenerwerb geführt. Hier stehen sich zwei berechtigte Anliegen gegenüber: die Angst vor finanziellen Einbußen der Teichwirte, die auch zum Erhalt einer schützenswerten Kulturlandschaft beitragen, und das Lebensrecht des Fischotters. Dieses Problem lässt sich womöglich finanziell lösen, indem die Betriebe staatlich unterstützt werden, um sich Schutzmaßnahmen wie Zäune leisten zu können. Ein solches „Existenzsicherungsprogramm für Teichwirte“, fordert etwa auch der BUND Naturschutz in Bayern.
Wir Fischer hingegen fürchten vor allem um die Fische und erkennen einen Zielkonflikt zwischen Fischotter und bedrohten Fischarten wie Huchen, Äsche, Nase oder Barbe; so gehen laut einer Studie in Österreich fast die Hälfte aller Flossenverletzungen von erwachsenen Huchen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Konto des Fischotters. Eigentlich passt der Donaulachs nicht ins Beuteschema des Wassermarders; der energetische Aufwand ist viel zu hoch für die geringe Wahrscheinlichkeit, einen Huchen zu erwischen. Vermutlich treibt den Otter der Jagdtrieb oder Nahrungsknappheit dazu, es trotzdem zu versuchen mit den beschriebenen Folgen. Damit stehen sich zwei gefährdete Arten direkt gegenüber. Im Gegensatz zum Kormoran ist der Fischotter trotz steigender Population weiterhin stark bedroht. Dass der Marder, der vom Menschen fast ausgerottet wurde, ein Lebensrecht hat, steht fest. Die Deutsche Wildtierstiftung (DWS) wollte auf Rückfrage mit der Nominierung des Tieres als Wildtier des Jahres 2021 auch auf die angesprochenen Interessenskonflikte aufmerksam machen. Natürlich ist eine publikumswirksame Aktion auch immer politisch zu verstehen: Der Fischotter und seine Gefährdung soll damit bewusst in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. Gleichzeitig wählen die Spender des DWS aus drei Vorschlägen einen aus, was vor allem auf die Beliebtheit und das putzige Äußere des Wassermarders hinweist.
Der DWS versteht sich vorrangig als Lobbygruppe für Wildtiere – und nicht für Fische. Deshalb ein Anruf beim BUND Naturschutz, der sich als Schützer aller Tierarten versteht. Dort erkennt man keinen Zielkonflikt zwischen Fischotter und Huchen – das Problem ist laut BUND grundsätzlicher Natur: Die Fischbestände sind wegen Wasserverschmutzung, Begradigungen, dem hohen Freizeitdruck auf Gewässer und Kraftwerken prinzipiell unter Druck. Das ist ohne Frage richtig. Genaue Angaben, wie viele Tiere jährlich in den Kraftwerksturbinen sterben,
gibt es nicht; doch wenn man nur einen toten Fisch pro Tag für jedes Kraftwerk annimmt – mit Sicherheit ein viel zu geringer Wert – dann hat man es nur in Bayern bereits mit circa 1,5 Millionen zerhäckselter Fische pro Jahr zu tun, darunter viele Huchen, die wegen ihrer länglichen Form besonders häufig in die Turbinen geraten.
In den angesprochenen Punkten arbeitet der Fischereiverband und die Naturschutzverbände auch eng und gut zusammen. Aus Fischerperspektive kommt aber mit dem Fischotter noch eine weitere Gefahr dazu, wohingegen sich der BUND dagegen wehrt,
eine bedrohte Art wie den Fischotter oder den Gänsesäger „letal zu vergrämen“, wo doch die Probleme viel tiefer greifen. Der Vorwurf der Naturschützer: Durch die Konzentration der Fischereiverbände auf den Abschuss dieser Tiere verringere sich der Druckauf Politik und Wirtschaft, die Grundproblematiken der Gewässer anzugehen. Dem setzen die Fischer entgegen, dass sie sowohl die eine wie auch die andere Gefährdung im Auge behalten.
Ein Blick auf den Fall Kormoran zeigt, dass die Sichtweise beider Seiten ihre Berechtigung hat: Der Abschuss des Vogels hat nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Fischbestände beigetragen – aber ohne einen Abschuss würde es Äsche und Bachforelle noch schlechter gehen. Für das Fischotterproblem kommt allerdings ein wichtiger Unterschied erschwerend hinzu: Auch wenn alle Optionen auf dem Tisch lägen, so ist überhaupt nicht klar, wie – und ob – das scheue und schlaue Tier gefangen werden kann.
Wie könnte nun eine Lösung aussehen? Wenn man das wüsste…
Auf der einen Seite dürfen wir die Gefährdung durch Kormoran und Co. nicht vernachlässigen. Man schätzt, dass es zurzeit mehrere hundert Fischotter in Bayern gibt – Tendenz steigend – die täglich etwa zwischen 0,4 – 1,2 kg fressen, darunter vor allem Fische – keine ganz geringe Zahl, wenn auch nicht vergleichbar mit den Schäden durch Kraftwerke. Wir Fischer können Studien wie die österreichische nicht ignorieren und müssen die Verbreitung des Fischotters und die Bedrohung gefährdeter Fischarten genau verfolgen. Auf der anderen Seite müssen wir das Grundproblem unserer Gewässer im Blick behalten: Fischotter und Huchen sind beide Bewohner eines bedrohten Lebensraumes, sie kämpfen mit der Schadstoffbelastung der Gewässer, Flussbegradigungen, Freizeitdruck und Wasserkraftwerken. Wir Fischer wollen fischreiche und saubere Flüsse und Seen – gleichzeitig sind diese Voraussetzungen die Lebensgrundlage des Marders.
Wildtiere wie der Wolf, der Bär oder eben der Fischotter sind in Bayern zurück und viele Menschen begrüßen das. Es wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern – das können wir nicht ignorieren. Wenn wir die Gefahren der Umweltbelastungen in den Fokus unserer Bemühungen stellen, können wir uns der Unterstützung breiter Teile der Gesellschaft sicher sein. Wir müssen unser Selbstverständnis als Umweltschützer
öffentlichkeitswirksamer in den Vordergrund rücken und weiterhin Druck auf Politik und Wirtschaft ausüben und an konstruktiven Lösungen mitwirken, ohne die anderen Gefahren aus den Augen zu verlieren. So könnte das Kraftwerksproblem doch eigentlich durch flächendeckende Fischtreppen – und somit finanziell! – zumindest teilweise gelöst werden.
Nach dem Corona-Irrsinn wird die Klimakrise wieder stärker ins Zentrum der öffentlichen Debatte drängen: Für uns Fischer könnte das der richtige Zeitpunkt sein, um endlich nachhaltige Verbesserungen für die bayerischen Gewässer durchzusetzen.